Um als Mensch voranzukommen ist ein Ziel unbedingt nötig, es lässt uns nach höherem streben und bringt uns tatsächlich voran. Unser gesamtes Leben entwickelt sich so. Als Baby wollen wir es schaffen zu gehen, als Kind wollen wir spielen, lernen, stark werden, Freunde haben… Als Jugendlicher zieht es uns zu Größerem, wir wollen die Welt entdecken, forschen, verstehen, Geld verdienen… Sind wir Erwachsen geht es weiter mit Familie, Beruf, eine eigens Haus, oder Weltrekord, Macht, Weltverbesserung …., immer brauchen wir eine Vision, auf die wir uns zubewegen können.
Auch der spirituelle Mensch strebt, für ihn geht es um Liebe, Erkenntnis, Freiheit … Erleuchtung. Doch als spiritueller Mensch stoßen wir irgendwann an die Grenzen des Strebens. Dann ist es an der Zeit selbst den allerletzten, allerhöchsten Wunsch loszulassen. Der folgende Vers aus der Bhagavad Gita kann das verdeutlichen, er lautet:
„Wer die ihm auferlegte Pflicht erfüllt, ohne an den Früchten seiner Handlungen zu hängen, ist ein Yogi; nicht der, der ohne Feuer und untätig ist“.
Die meisten Verse aus der Bhagavad Gita klingen in unseren westlichen Ohren etwas ungewöhnlich. Ein Grund dafür ist wohl auch, dass die alten Weisheitsbücher der Menschheit nicht für den Schüler oder Laien geschrieben wurden, sondern für den Guru, den Lehrer. Dieser erläuterte dann die Texte aufgrund seiner Erfahrung.
Die ihm auferlegte Pflicht bedeutet, dass die Wirkung des Egos so gering ist, dass es keine eigenen Impulse mehr hervorbringt. Somit handelt der Yogi nicht mehr aus eigenem Interesse, sondern übt die Tätigkeiten aus, die andere (üblicherweise seine Schüler) von ihm brauchen. Bis dahin brauchen wir als Antrieb unseres Handelns immer einen inneren Grund, einen unerfüllten Wunsch, eine Idee. Es braucht ein Ziel, damit wir motiviert sind so zu handeln, dieses Ziel auch zu erreichen. Erst wenn die Macht des Egos geringer wird, wird auch der eigene Antrieb schwächer. Kein Ego, bedeutet kein Ziel, keine Motivation und somit kein Handeln aus eigenem Antrieb mehr. Erst dann hängen wir nicht mehr an den Früchten unseres Handelns
(auch Karma Yoga genannt). Das ist die höchste Stufe der Freiheit, da wir nicht mehr nach einer, noch so subtilen Form eines persönlichen Gewinns aus sind. Unser Handeln wir einzig und allein davon bestimmt, was von außen an uns herangetragen und gewünscht wird.
Ist das die Wirklichkeit unseres Alltags befinden wir uns auf der sechsten Stufe des Erwachens, genauer gesagt in Padarthabhavani.
Kein Yogi hingegen ist jener, der ohne Feuer und untätig ist. Damit wird die Lebensform eines Asketen ausgedrückt. Jemand, der sich aus allem Weltlichen zurückzieht, die Einsamkeit sucht, allem entsagt und seine Handlung nur auf das Nötigste fürs Leben beschränkt. Er scheint zwar egolos zu sein, jedoch ist er auf Stufe fünf, Asamshakti, hängengeblieben. Sie ist genaugenommen das Gegenteil von Egolosigkeit, denn hier lebt der Aspirant ausschließlich mehr nach den eigenen Bedürfnissen. Die Askese mag selbstlos erscheinen, die Motivation dafür (die sechste Stufe zu erreichen), wurzelt aber immer noch im Ich.
Zu abgehoben, zu indisch, zu altmodisch? Die Bhagavad Gita hatte großen Einfluss auf die westliche Philosophie. Unter anderem war es der deutsche Philosoph Schopenhauer (um 1800), der ihr Gedankengut in sein Schaffen einfließen ließ und er bezeichnete sie als das Buch, „das mich in meinem ganzen Leben am meisten erleuchtet hat.“
Also lasst uns weiter streben und möge sich dadurch unser Ego verflüchtigen.
Namaste, Harald Ananda
Komm mit uns auf deine Reise zu einem erfüllten Leben als Yoga-Teacher und erfahre in unserem Atscha-Newsletter alles über die Ausbildung, neue Artikel und mehr.